Eine modern und vollständig ausgerüstete Armee ist kein «nice to have» – besonders nicht in Zeiten der aktuell verschärften geopolitischen Lage. Im Krisenfall muss unsere Armee Land, Bevölkerung, Infrastruktur und Luftraum verteidigen und Cyber-Angriffe abwehren. Und zwar so schnell, gut und zeitgemäss wie möglich. Deshalb hat der Schwyzer FDP-Nationalrat Heinz Theiler die «Bürgeroffensive für eine starke Armee 2030» lanciert. Darin fordert er von Bundesrat und Parlament, die Strategie «Die Verteidigungsfähigkeit stärken» durch Erhöhung der finanziellen Mittel auf 1 Prozent des BIP auf 2030 schnellstmöglich umzusetzen.
Sie haben die «Bürgeroffensive für eine starke Armee 2030» ins Leben gerufen. Welche Idee steckt dahinter?
Heinz Theiler: Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist der Krieg zurück in Europa, damit gehen 30 Jahre Frieden zu Ende. Das bedeutet, dass die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz wieder hergestellt werden muss, und zwar möglichst schnell – das ist ein Verfassungsauftrag. Zudem suche ich damit den Austausch mit der Bevölkerung, mich interessiert, was sie darüber denkt.
Ist denn die Schweizer Armee jetzt nicht verteidigungsfähig?
Viele Systeme gehen auf das Ende ihrer Lebensdauer zu: Die Armee muss in den nächsten Jahren vor allem im Bereich der bodengestützten Luftverteidigung Erneuerungen vornehmen. Aber auch in anderen Bereichen kann nur etwa ein Drittel der Truppen vollständig ausgerüstet werden. Wir müssen die Armee jetzt dringend stärken.
Hat die Armee überhaupt einen Plan, wie sie das bewerkstelligen will?
Ja, natürlich. Um möglichst schnell vorgehen zu können, werden die Fähigkeiten adaptiv wiederhergestellt. Das heisst, Lieferdauer und Lebensdauer der alten und neuen Systeme werden aufeinander abgestimmt: Alte brauchbare Systeme werden für einen längeren Einsatz flottgemacht, neue werden möglichst schnell bestellt. Das alles braucht Zeit, die Lieferzeiten sind lang und dann müssen sie auch noch eingeführt werden. Ganz Europa bestellt jetzt neue Systeme.
Ist es noch zeitgemäss, neue Panzer zu bestellen?
Es geht nicht um Panzer, die Armee muss gleichzeitig in allen Wirkungsräumen verteidigungsfähig werden: Boden, Luft, Cyberraum, elektromagnetischer Raum, Weltraum und Informationsraum. Das meiste Geld wird aktuell für die Cyberabwehr ausgegeben. Zudem sind Panzer nicht einfach nur Kanonen auf Raupen, sie spielen für Mannschafts- und Verletztentransporte eine zentrale Rolle in der Logistik.
Das Armeebudget wurde nun mit zusätzlichen 530 Millionen Franken für 2025 verabschiedet – ist damit nicht Ihre Forderung erfüllt?
Nein, keineswegs. Es geht hier nicht um einen Sprint fürs nächste Jahr, sondern um einen Mittelstreckenlauf. Diese zusätzlichen 530 Millionen Franken sind zum Beispiel für die bodengestützte Luftverteidigung vorgesehen – die dringendste Investition, die möglichst schnell getätigt werden muss. Es braucht aber noch weitere Investitionen, weil auch die Übermittlungstechnik, Fahrzeuge etc. ans Lebensende kommen, denn es wurde 30 Jahre lang nicht mehr investiert. Deshalb braucht es einen Finanzierungspfad, um bereits 2030 auf ein Budget von einem Prozent des BIP zu kommen.
Warum ist das dringend? Die Schweiz ist ja kaum ein Ziel von Raketen?
Um die Verteidigung eines Landes sicherstellen zu können, muss in Szenarien gedacht werden. Das schlimmste Szenario gibt dann vor, was nötig ist, um es abwehren zu können. Diese Logik ist nicht neu, sondern sicherheitspolitisch notwendig, denn die Abschreckungswirkung ist für die Friedenssicherung zentral. Und die Schweiz ist im Moment nicht ausgerüstet, um Raketen abwehren zu können, die beispielsweise das UNO-Gebäude in Genf oder den Stern von Laufenburg als mögliche Ziele haben könnten.
Ist das nicht etwas übertrieben?
Nur weil es unseren Alltag heute nicht betrifft, heisst das nicht, dass sich die für die Sicherheit unseres Landes Verantwortlichen nicht damit auseinandersetzen müssen. Ihr Job ist es, diese Szenarien zu erkennen. Wird der Stern von Laufenburg lahmgelegt, hat halb Europa keinen Strom mehr, ohne dass ein NATO-Land angegriffen wurde – Neutralität hin oder her. Es bringt nichts, diese Überlegungen der Bevölkerung zu verschweigen. Im Gegenteil.
Wie überzeugen Sie Armeekritiker?
Die Aufgabe der Armee ist Kriegsverhinderung, Friedensförderung und Verteidigung der Bevölkerung, das ist so im Art. 58 Abs. 2 der Bundesverfassung festgeschrieben. Wenn sich die Armee ausrüstet und auf Szenarien vorbereitet, so macht sie dies immer auch in ihrem Auftrag der Friedensförderung und Kriegsverhinderung. Das dürfte überzeugend genug sein, wenn man genauer darüber nachdenkt – denn sonst würde die Armee ja gegen ihren eigenen Verfassungsauftrag verstossen.
Welches Feedback bekommen Sie auf der Strasse von der Bevölkerung bei der Unterschriftensammlung?
Ich stelle fest, dass es offenbar ein Bedürfnis vieler Leute ist, sich zum Thema Armee und Sicherheitspolitik auszutauschen. Wir sind inzwischen zur Anlaufstelle für allerlei Fragen in dieser Thematik geworden. Die geopolitische Lage in Europa beschäftigt die Menschen mehr, als ich dachte. Viele regen sich auf, dass in «Bundesbern» nicht mehr für eine tüchtige Armee gemacht wird.
Wie sieht denn die geopolitische Lage in Europa aus?
Wenn man sich mit Sicherheitspolitik befasst, dann fallen drei Themen auf: 1. Die uns umgebenden Länder rüsten auf, auch Österreich und Italien.
2. Die NATO als Verteidigungsbündnis des Westens hat wieder an Bedeutung gewonnen. 3. Man befürchtet, dass Russland bis 2028 einer der kleinen baltischen Staaten überfallen könnte, um die Reaktion der NATO zu testen.
Und was bedeutet das für die Schweiz?
Wir sind mittendrin: Geografisch, mit unserer westlichen freiheitlichen Mentalität und mit unserem Wunsch zur Selbstverteidigung. Deshalb ist es wichtig, sich mit diesen Fragen jetzt unaufgeregt zu beschäftigen, die Bevölkerung zu sensibilisieren und die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Je eher, desto besser.
Interview: Corinne Remund